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Pädagogisches Konzept des Schulbauern-und Naturschutzhofes (SBNH) Recklinghausen

Der Schulbauern- und Naturschutzhof Recklinghausen e.V. ist eine pädagogische Einrichtung in Trägerschaft eines gemeinnützigen Vereins. Sein Ziel ist die Bildung vor allem von Kindern und Jugendlichen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung. Der Schulbauernhof bietet vielfältige Lernsituationen, um gemeinschaftlich und individuell sozial- und umweltgerecht handeln zu können.

Freiwilliges, selbst gesteuertes und handlungsorientiertes Lernen

Das gesamte Umfeld des Schulbauernhofes ist auf diese Art des freiwilligen selbstgesteuerten Lernens ausgerichtet. Grundvoraussetzungen zum Erlangen dieser Lernfreude sind motorische, soziale und vor allem auch emotionale Fähigkeiten, die in einem ganzheitlichen Rahmen gefördert werden können.

Grundlage des stets handlungsorientierten gemeinsamen Lernens ist die praktische Tätigkeit auf dem Hof – zum Beispiel die Tierversorgung, das Sähen und Pflanzen sowie das Ernten und Verarbeiten von Lebensmitteln. An diese lebenspraktischen Aufgaben eines Bauernhofes lassen sich vertiefende Themen der vier Dimensionen Soziales, Ökologie, Ökonomie und Kultur anknüpfen. Auf dem Naturschutzhof erfahren Kinder und Jugendliche die Hintergründe der Lebensmittelproduktion und damit die Bedeutung von Umwelt, Klima und Biodiversität für das Leben auf der Erde.

Konflikte Lösen und Empathie lernen

Auch grundlegende Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen, Erkennen und Benennen der eigenen Bedürfnisse, Respektieren von Andersartigkeit, Takt und Feingefühl müssen von Kindern erst erlernt werden. Auf dem Schulbauernhof treffen Menschen verschiedener Altersstufen, aus verschiedenen Lebenswelten und verschiedenen Motivationen aufeinander. Hier finden die Kinder Anregungen und vor allen Dingen auch Hilfestellung, um Konflikte besser zu bewältigen.

Die Kinder und Jugendlichen können sich selbst erproben: „Wie hoch kann ich klettern?“ „Kann ich allein einen Zaun bauen?“ Sie bauen Selbstbewusstsein auf, lernen jedoch gleichzeitig ihre Grenzen kennen. Hier erfahren sie, wieviel eine Gruppe bewegen kann. Gemeinsam haben die Kinder die Möglichkeit etwas zu erschaffen, einen Entstehungsprozess von der Planung über den Bau, bis hin zum gemeinsamen Nutzen des Gegenstandes zu durchleben.
Das Arbeiten in Kleingruppen ermöglicht dabei die Förderung sozialer Kompetenzen, wie Kooperationsfähigkeit, Partizipation, eigenständiges Handeln und gleichzeitig Empathie Fähigkeit.

Neben den Menschen sorgen auch die Tiere dafür, dass Kinder Rücksichtnahme, Verantwortungsgefühl und das Sorge tragen für das Wohl eines anderen Lebewesens erlernen.

Natürliches Lernumfeld

Kinder, die das Leben eingebunden in natürliche Prozesse erleben, wachsen als gelassene und geborgene Kinder. Sie fühlen sich als Teil der Natur gut aufgehoben, die eigenen Probleme erscheinen unwichtiger und leichter zu lösen.
In der Natur finden sie Antworten auf Fragen, die sie in ihrer Lebenswelt immer wieder beschäftigen. „Warum kann nicht immer die Sonne scheinen?“ „Warum kann ich Essen nicht einfach wegwerfen – der Supermarkt ist doch voll davon!“ Fragen, die dem Erwachsenen ein Lächeln entlocken, die Kinder jedoch vor Probleme stellen, wenn sie Naturkreisläufe nicht kennen, wenn sie nicht wissen, dass Milch nicht aus der Tüte kommt und die Natur nicht nur der Erholungswald nebenan ist, sondern unsere Lebensgrundlage.
Der große Bewegungsraum und die vielfältigen sozialen Kontakte sorgen zudem für einen ausgeglichenen Charakter, der eigene Bedürfnisse mit denen seiner Umwelt in Einklang bringen kann und somit für ein emotionales Gleichgewicht sorgt.

Motorische und kognitive Entwicklung

Der SBNH sorgt für eine ausgewogene Bewegung ohne Zwang. Kinder müssen nicht um den Sportplatz joggen, um ihre Gesundheit zu fördern. Die Neugier und der Spieltrieb sorgen dafür, dass die Kinder und Jugendlichen immer wieder auf Entdeckungsreise gehen. Dabei rennen, klettern, balancieren und springen sie ganz nebenbei, ohne es als Anstrengung zu empfinden.
Auch auf die kognitiven Fähigkeiten wirkt sich ein reiches Bewegungsumfeld aus. Forscher haben z. B. herausgefunden, dass Kinder, die nicht rückwärts laufen können, häufig Probleme mit der Umkehr von Rechnungen haben („2+2 = 4 also ist 4-2 = 2″). Mangelnde Bewegung schadet dem Konzentrationsvermögen und ruft ein „allgemeines Unlustgefühl“ hervor. Ohne Bewegung gibt es auch keine Entspannung des Körpers. Unser Körper ist auf den ständigen Wechsel von An- .und Entspannung angewiesen. Ohne Anspannung gibt es keine Aktivität, ohne Entspannung entsteht auf Dauer negativer, so genannter Distress.
Der SBNH verfügt über ein selbst gebautes „Klettermonster“, große Rasenflächen, vielfältige Versteckmöglichkeiten, verschiedene Bodenbeschaffenheiten, die immer wieder ein neues Ausbalancieren nötig macht und über die Möglichkeit Bauideen der Kinder mit ihnen zusammen in die Tat umzusetzen.

Nachhaltigkeit

Für eine Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) als Leitidee sind Kompetenzen erforderlich, die als „Gestaltungskompetenzen“ zusammengefasst werden. Der Schulbauern- und Naturschutzhof Recklinghausen e.V. leistet vernetzt mit anderen schulischen und außerschulischen Einrichtungen seinen Beitrag dazu.
BNE soll es allen Menschen ermöglichen, die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt zu verstehen und verantwortungsvolle, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Die Leitidee geht auf das Weltaktionsprogramm der UNESCO von 2014 zurück.
Der Schulbauern- und Naturschutzhof bietet eine große Vielfalt von Möglichkeiten für praktisches Lernen und Arbeiten im verantwortlichen Umgang mit der Natur im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). In den praxisnahen Angeboten werden die zentralen didaktischen Prinzipien wie Selbstbestimmung und Selbstorganisation, Handlungsorientierung, Kooperatives Lernen, Lebensweltbezug, Erkennen und Verknüpfen von Zusammenhängen erlebt und erfahren.
Damit tragen wir dazu bei, dass Kinder- und Jugendliche durch ihre praktische Tätigkeit in der Landwirtschaft und der Natur. ihre Umwelt im Ganzen erkennen, wertschätzen und damit auch bewahren lernen. Auf diese Weise praktizieren sie zusammen ökologische und soziale Nachhaltigkeit.

Tagesablauf/ Aktivitäten auf dem Hof

Der Tagesablauf und die Aktivitäten für die Teilnehmenden richten sich auf dem Schulbauernhof in Recklinghausen nach den täglichen und saisonalen Erfordernissen eines landwirtschaftlichen Betriebes. Dazu gehört in jedem Fall die Versorgung der Tiere am Morgen, während die Kinder und Jugendlichen anschließend in Kleingruppen weitere Aufgaben auf dem Hof, den Äckern und Beeten erledigen – im Einklang mit der Natur und im Wechsel der Jahreszeiten. Je nach Alter der Teilnehmer und ihren individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten werden die Inhalte und Abläufe entsprechend angepasst.

Dabei stehen die Themen „Landwirtschaft und Ernährung, Naturschutz und Biodiversität“, ausgehend von der lokalen und regionalen Situation mit Blick auf globale Aspekte, im Fokus. Zusätzlich werden in Abhängigkeit davon, ob die Teilnehmer im Rahmen einer Tagesveranstaltung, mehrmals im Jahr oder wöchentlich auf dem Hof sind, verschiedene Themen vertiefend behandelt. Da die Themen an praktische Tätigkeiten angebunden sind, ergeben sich Aspekte auch situativ. Das bedeutet: Während der praktischen Tätigkeiten entwickeln die Teilnehmer Fragen, die es mithilfe von didaktisch aufbereiteten Materialien zu beantworten gilt. Die Teilnehmer stehen dabei im Mittelpunkt. Anknüpfend an ihre Lebenswirklichkeit erfolgt ein Wissens- und Kompetenzzuwachs im Hinblick auf globale Aspekte sehr individuell. So geht es beispielsweise bei der Aussaat, Pflege und Düngung von Kulturen um die Aspekte Grundwasser-, Bodenschutz und Ökolandbau. Bei der Schaffütterung und der Wollverarbeitung liegt der Aspekt Naturschutz durch extensive Beweidung zugrunde. Und bei der Getreideverarbeitung beschäftigen wir uns mit Ernährung und Biodiversität.

Kinder und Jugendliche, aber auch die jungen auf dem Hof arbeitenden Freiwilligen erweitern durch die Arbeit in Kleingruppen ihre sozialen Kompetenzen, indem sie sich in Kooperationsfähigkeit, Partizipation und eigenständigem Handeln üben. Darüber hinaus dienen die Angebote, in denen Praxis, Theorie und eigenes Handeln eng miteinander verzahnt sind, der Verbraucher- und Bewusstseinsbildung und der Erweiterung des selbstständigen und selbstverantwortlichen Handelns.